Die verführung: Warum wir im Content Marketing nicht immer auf einfache Rezepte bauen sollten3/15/2023
Content Marketing ist ja ziemlich populär geworden in den letzten Jahren. Schön. Aber mit der Popularität kam auch der Zug hin zur einfachen Antwort auf eigentlich komplexe Fragen. Und mit einfachen Antworten kommt man der Lösung oft nicht schneller näher. Es ist so einfach, simpel zu argumentieren. Bei meinen Besuchen auf LinkedIn habe ich kürzlich von einer Content Marketing-Expertin die intellektuell wattenmeertiefe Warnung gelesen, dass Unternehmen, die sich im Jahr 2023 nicht um ihre Zielgruppen kümmerten, es wohl schwer haben würden. Schnell versprochen Seitdem frage ich mich natürlich, ob es 2021 oder 1972 für Unternehmen eventuell doch egal war, ob sie sich ihrer Zielgruppen annähmen oder nicht; ob der Bestatter 1972 mal eben ein paar Tausender aus der Kasse genommen hätte, um lebensbejahend ein Advertorial in einem Koch-Magazin zu platzieren. Oder sich der Landmaschinen-Hersteller vielleicht noch vor wenigen Jahren einen echten Vorteil gegenüber der ackernden Konkurrenz erpflügen hätte können, hätte er doch bloß sein Kundenmagazin in der U-Bahn einer europäischen Großstadt verteilt. Wir alle, die wir Content Marketing betreiben, haben uns in den letzten Jahren redlich bemüht, unsere Disziplin populär zu machen. Leider haben wir dabei auch intellektuellen Beifang wie diese Warnung vor Zielgruppenignoranz mitgeschleppt – und wir haben es vielleicht verabsäumt, unsere Disziplin auch gegenüber leichtfertigen Versprechungen abzugrenzen. Beliebig und beliebt In wenigen Wochen – Achtung: Werbung – erscheint mit „30 Minuten Content-Strategie“ im Gabal Verlag ein Buch, das mir besonders am Herzen liegt. Unter anderem wahrscheinlich deshalb, weil ich einer der beiden Co-Autoren bin. In dem Werk haben sich mein Mit-Autor Christoph Moss und ich sehr ausgiebig mit den Voraussetzungen für eine gelingende Content-Strategie, aber auch mit dem Vereitelungspotenzial für eine solche beschäftigt. Einen Grund dafür, warum Content Marketing es trotz oder gerade wegen seiner Popularität schwer haben kann, haben wir so formuliert: „Content Marketing ist in den letzten Jahren zu einem Buzzword und Heilsversprechen für vieles geworden. Darin liegt auch die große Gefahr für dieses so vielversprechende Instrument: dass es zum gedanklichen Beliebigkeitshybrid wird, einem Zwitterwesen aus Werbung, Marketing oder PR, das alles kann, und das womöglich sofort.“ Ja, Sie werden dieses Buch wahrscheinlich in 30 Minuten gelesen haben können. Und ja: Sie werden viel Inspiration daraus ziehen können. Aber auch: Content-Strategie ist eine komplexe Angelegenheit und es braucht, ernsthaft jetzt, ziemlich viel Erfahrung und Feingefühl, um aus der Inspiration eine Idee und aus der Idee eine Strategie zu zwirbeln. Deshalb habe ich diesen Beruf gewählt: weil Content-Strategie ein Feld an Formeln und Bedingungsketten ist und öfter auch voraussetzt, sich in andere Menschen und deren Bedürfnisse hineinzuversetzen. Es gibt tolle Tools, die uns viel an dieser Arbeit abnehmen können, aber diese digital generierten Hinweise richtig zu deuten und sie in ein Konzept zu übersetzen, das ist es, was dann wirklich zählt. Und ganz ehrlich: manchmal braucht es auch das Experiment, um festzustellen, ob die Deutung richtig war. Was wir verstehen, ist: Mechanik. Nämlich jene zwischen einem Set an Inhalten entlang einer bestimmten von einer Customer Journey vorgegebenen Zeitachse, dem Platzieren dieser Inhalte an den richtigen Touchpoints und der Wirkung dieser Inhalte bei den Nutzer:innen. Und wir bringen das Handwerkszeug mit, um diese Mechanik in eine Strategie zu gießen und die nötigen Inhalte auch zu produzieren. Full Service? Klar. Aber Full Service heißt zuerst einmal: Full Understanding. Was soll schon schiefgehen Wir haben nach so vielen Projekten auch ein Gespür dafür entwickelt, was inhaltlich, strategisch und auch budgetär nötig ist, um ein Ziel zu erreichen. Und wir bereiten uns mit jeder Kundin und jedem Kunden auf eine längere Zusammenarbeit vor. Wenn wir Projektanfragen erhalten, setze ich mich mit den Kund:innen meist lange hin und stelle systematisch Fragen, gegliedert in mehrere Kapitel. Das letzte Kapitel dieser Frage-Präsentation lautet: „Was alles schiefgehen kann.“ Das ist meist der am heftigsten diskutierte, aber auch erhellendste Teil der Präsentation. Denn wie wir wissen, sind auch Weltraumraketen nicht unbedingt auf maximalen Erfolg, sondern auf die größte anzunehmende Katastrophe ausgelegt. Nun will ich nicht behaupten, dass Content Marketing Raketenwissenschaft ist. Aber an Fehlerquellen herrscht weder auf dem Flug zum Mond noch während einer meist monatelangen Zusammenarbeit an einer Content-Strategie kein Mangel. Tatsächlich verwenden wir in manchen dieser Präsentationen sogar eine eigene Software, die dazu beiträgt, potenzielle Fehlerquellen aufzuspüren und Fehler zu priorisieren. Gemeinsam mit unseren Kund:innen. Denn Content-Strategie ist auch dies: Selbsterkenntnis. Deshalb darf ich an der Stelle einfach mal appellieren: erwarten Sie nicht, dass das Ergebnis einer einfachen Antwort dann auch Ihre Erwartungen an eine erfolgreiche Content-Strategie erfüllt. Lassen Sie sich ein auf die Empfehlung des Content-Teams, Dinge zu recherchieren, sie zu hinterfragen, sie zu Ende zu denken. Und holen Sie so das Beste aus Ihrer Content-Strategie. Der AutorMartin Schwarz ist geschäftsführender Gesellschafter von AustriaContent. Kommentare sind geschlossen.
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