Manchmal empörend, manchmal lustig, selten langweilig. So fühlt sich Clubhouse an. Die neue Social Media-App ist ein sensibler digitaler Organismus. Ein paar Thesen, welche Bedeutung Clubhouse für das Content Marketing haben könnte. Clubhouse ist ein wenig wie jene Sonntagabende vor Jahren, als die bieder-spaßige Show „Zimmer frei!“ Prominente in dadaistische Spiele und lockere Plaudereien zwang, mal fühlt sich Clubhouse an wie die Mutter aller österreichischen Talkformate, dem Club 2, als streitbare Intellektuelle ohne Zeitlimit in einem dunklen Studio und bequem auf Ledersofas fläzend über die Zeitläufte diskutierten und keiner Eskalation aus dem Wege gingen, während sich das Studio mit dem Rauch unzähliger Zigaretten füllte.
Beispiellos Social Media-Plattformen haben sich in den letzten Jahren ja als Kopieranstalten hervorgetan. Snapchat erfindet ein Format, Instagram kopiert es, LinkedIn adaptiert es. Stories, einfach überall, kurze Snacks, auf den raschen Effekt ausgelegt. Ungewöhnlich ist auch: Clubhouse ist ein Raum für Longform Content — rar gesät in der vom Reflex — und Affekthaften geprägten Social Media-Blase. Debatten, die auf eine Stunde angelegt waren, dauern drei, vier Stunden, tapfer verfolgt von zuweilen tausenden Zuhörern. Auch das gehört dazu: dass Clubhouse sich wegen der sehr reduzierten Inszenierung von der durch Influencer befeuerten Hochglanz-Ästhetik anderer Plattformen abhebt. Clubhouse — und das dürfte die in tradierten Format-Kategorien denkende Community einigermaßen erstaunen — entzieht sich diesen Format-Plagiaten. Würde man unbedingt eine Parallele zu existierendem Social Media-Inventar suchen wollen, würde man sie jedenfalls bei einem einzigen Aspekt vielleicht noch am ehesten in Twitter finden: als Plattform, die Authentizität und wünschenswert ungefilterten Dialog forciert, die ein erstaunlich locker gebundenes Regel-Korsett zulässt. Freilich legt das nur wenige Tage nach dem Start von Clubhouse auch Schwächen offen: dass Bodo Ramelow in einer Diskussion auf Clubhouse bekannt hatte, während einer Konferenz der Ministerpräsidenten Candy Crush gespielt zu haben, war der „Welt am Sonntag“ dann einen schonungslosen, aber auch weitgehend kontextlosen Artikel wert. Ramelow bereut Hier könnte eine Bruchlinie zwischen dem Clubhouse-Anspruch und den Traditionen öffentlichen Diskurses entstehen: Wenn sich Clubhouse einerseits an eine scheinbare digitale Elite richtet, andererseits Spitzenpolitiker wie Ramelow oder kürzlich auch Ex-Kanzler Gerhard Schröder dazu zu motivieren imstande ist, sich in einem vermeintlich geschützten Raum vermeintlich ohne Script und den intellektuell doppelten Boden des Briefings durch Pressesprecher mit dieser digitalen Elite zu unterhalten, diese Offenheit ihnen dann aber in anderen Medien zum Verhängnis wird, so wird dieser egalitäre „Townhall“-Aspekt bald verloren gehen. Lange nach seinem Auftritt bei Clubhouse musste sich Ramelow bei einem weiteren Meeting auf Clubhouse die Frage gefallen lassen, warum er bei Clubhouse plaudert, statt etwas gegen die Pandemie zu unternehmen. Man würde ihn das nicht fragen, würde er bei Markus Lanz und Anne Will diskutieren. Jetzt am besten Die Entwicklungsmöglichkeiten von Clubhouse ohne Charakterverwässerung könnten indes limitiert sein: die App wird vielleicht nie besser sein als jetzt. Dass Panels nur live beigewohnt werden kann, dass es keinen Sharing-Schnickschnack rundherum gibt, dass es sich eben nicht um einen weiteren Podcast-Hub handelt, dass jede/r Moderator*in sein kann und jeder durch virtuelles Handheben auf das Podium geholt werden kann — dieses Pure als technologische Antipode zur Opulenz anderer Netzwerke macht wohl vieles an Attraktivität aus. Allerdings haben die Gründer erst gestern in ihrem sonntäglichen Townhall-Meeting angekündigt, dass es künftig für Room-Moderator*innen auch möglich sein wird, Rooms aufzunehmen und dann etwa als Podcast weiterzuverarbeiten. Mal sehen, wie sehr dies den Charakter der Plattform verändert. Eines könnte den Einstieg bei Clubhouse gerade jetzt noch lohnend machen: Noch gibt es auf der Plattform nicht die üblichen Verdächtigen anderer Netzwerke gibt, die dort Tausende von Followern anziehen. Das muss nicht unbedingt nur darin begründet liegen, dass Clubhouse so neu ist. Sondern ist eventuell auch dem Umstand zu verdanken, dass Clubhouse das einzige soziale Netzwerk ist, bei dem die kommunikative Einzelleistung oder Prominenz weniger zählen als die Fähigkeit, Debatten anzustoßen, sie zu moderieren, zu kuratieren, zu strukturieren. Clubhouse ist Social Media-Teamsport. Clubfluencer Mittlerweile gibt es erste Versuche von Unternehmen, Clubhouse für das eigene Marketing zu nutzen. Jung von Matt hat für den Carsharing-Anbieter Share now das Format „Car-antäne Quatschen & Cruisen“ entwickelt, bei dem Influencer*innen irgendwie Community-Building betreiben und coole Mucke spielen sollen. Ganz ehrlich – und Irrtum nicht ausgeschlossen: ich bin ein wenig skeptisch, ob die aufpolierte Hochglanz-Influencer-Community-Ästhetik nicht ein Bruch mit dem Authentizitätsanspruch von Clubhouse ist und daher nach einem kurzen Hype floppt. Wie Sie Clubhouse für Ihr Content Marketing nutzen können Das Authentizitätsdogma, die dem System zugrunde liegende Unvorhersehbarkeit, wie sich Talks auf Clubhouse entwickeln, macht es auch schwierig, seine künftige Relevanz für das Content Marketing zu vermessen. Aber ein paar Thesen und Handlungsempfehlungen wage ich schon einmal:
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Oktober 2023
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