Was ist denn nun Content Marketing? Vor allem Unterstützung für Vertrieb? Natürlich. Auch. Aber das bedeutet nicht, dass nicht direkt vertriebsrelevante Inhalte nicht auch vertriebsrelevant wären. Alles klar? AustriaContent-Gründer Martin Schwarz über die Lehren aus einer nicht ganz optimalen Präsentation. Vor einiger Zeit, an einem nicht näher genannten Ort. Seit einer halben Stunde cruise ich durch meine Folien, lege Verve in die Stimme, erkläre etwas über Pillar Stories, über Evergreens, über Content Mission Statements. Ich habe mich, so meine selbstsedierende Annahme, gut vorbereitet und entwerfe eine doch runde Content-Strategie. Der Kunde am Bildschirm schweigt, am kleinen Bildausschnitt, das ihn zeigt, glaube ich neutrale Anteilnahme zu erkennen. Es ist ein Kunde, der noch nie mit Content Marketing zu tun hatte. Nach 30 Minuten Präsentation erfüllt peinliche 30 Sekunden lang totale Stille das Zoom-Meeting. Dann die Reaktion: „Aber Herr Schwarz, wir sind hier eine Vertriebsorganisation.“ Was soll man darauf antworten?
Eine verhängnisvolle Abkürzung Wir haben ein Problem. Content Marketing flattert in der Vorstellung mancher Kunden einer Fahne gleich zwischen bloß vertriebsunterstützender Maßnahme und schöngeistiger Orchideendisziplin. Dabei kann Content Marketing gerade seine vertriebsunterstützende Funktion umso schlechter erfüllen, je vertriebsunterstützender sie nach außen scheint. Oft bin ich in meiner täglichen Arbeit mit Kunden mit deren Wunsch konfrontiert, möglichst viele Leads produzierende Formate in die inhaltliche Architektur einzubauen, möglichst viele produktnahe Themen zu inszenieren, also inhaltlich vor allem dort anzusetzen, wo der Kunde des Kunden eigentlich schon die Mine aus dem Kugelschreiber zur Vertragsunterzeichnung drückt. Gerade wenn Unternehmen noch nie mit Content Marketing zu tun hatten, sind sie eher geneigt, eine Abkürzung nehmen zu wollen, sich gar nicht erst etwa mit allen Phasen der Customer Journey zu beschäftigen. Doch Inhalte müssen ihre Wirkung entfalten und Garant für diese Wirkung ist nur ein solides thematisches Fundament. Wer ist denn der oder die Entscheider:in? Die Obsession mit vertrieblich eindeutig Verwertbarem rührt bei Unternehmen aus ihrer Erfahrung, dass sie zur Unterzeichnung etwa eines Lieferauftrags meist einem/r Entscheider:in gegenübersitzen, der oder die seine oder ihre Unterschrift unter den Vertrag setzt und ihn damit gültig macht. Die anderen Beteiligten an so einer Entscheidung sind dann meist unsichtbar: Expert:innen, die aus all den Marketing-Botschaften Relevantes filtern, Techniker:innen, die am besten wissen, welche Lösung gerade jetzt für das Unternehmen sinnvoll ist, Controller:innen, die auf die Finanzen schauen. Sie alle sind gerade bei langwierigen B2B-Entscheidungen in einem steten Dialog, oft in einem Widerstreit und alle gemeinsam beeinflussen sie den oder die Entscheider:in. Doch für jede:n Beteiligte:n in dieser Gruppe braucht es andere Inhalte; Inhalte, die nicht zwangsläufig den harten Lead auslösen müssen, für die dieser vertriebsorientierte Ansatz vielleicht sogar kontraproduktiv sein könnte. Eine Frage der Spannweite Womit wir aber bei einem weiteren Problem gelandet sind: wenn Content im B2B nur wirkt, wenn er eine Spannweite über die gesamte Customer Journey aufbringt, braucht es eben auch Inhalte für jede dieser Stationen der Journey – je nach Anwendungsfall. Und da ist man auch als Agentur nicht davor gefeit, sich mit den low hanging fruits zu begnügen: wenn der Kunde das verfügbare Budget auf die Purchase-Phase konzentrieren möchte und sonst auch keine Inhalte da sind, so fehlt – zugegeben – manchmal der Mut, darauf hinzuweisen, dass ausschließlich darauf abzielender Content seine Wirkung nicht annähernd so tun wird, wie wenn der gesamte Entscheidungsprozess und das gesamte Buying Center berücksichtigt werden. Content Marketing funktioniert nicht anders als zwischenmenschliche Beziehungen: es wird Interesse geweckt, es wird Vertrauen aufgebaut, es werden Bündnisse geschmiedet oder auch ein Bund geschlossen. In dieser Reihenfolge. Nicht umgekehrt. Sich nur auf die Purchase-Phase zu konzentrieren, ist ein bisschen wie die arrangierten Ehen der Hocharistokratie im vorletzten Jahrhundert – und was daraus geworden ist, ist ja hinlänglich bekannt. Sie erinnern sich an unser eingangs erwähntes Problem: Content flattert in der Vorstellung mancher Kunden zwischen harter Vertriebsmaßnahme und Orchideendisziplin. Die Wahrheit ist: genau das muss er auch, um zu funktionieren. Sie möchten jetzt vielleicht noch wissen, was aus meinem kleinen Pitch mit diesem einen Unternehmen geworden ist. Ich sage es Ihnen: nichts. Denn „wir sind eine Vertriebsorganisation.“ Kommentare sind geschlossen.
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Oktober 2023
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